Wie Kinästhetik Pflegende entlastet und Menschen mit Pflegebedarf zur Bewegung motiviert

Kinästhetik: Gemeinsam im Einklang bewegen

Gesundheitsförderliche Arbeitspraktiken in der Pflege zu etablieren, hat sich zu einem zentralen Ziel für die Geschäftsführung und die Geschäftsbereichsleitung Pflege & Leben der Diakonie Stiftung Salem entwickelt. Eine wesentliche Strategie zur Verwirklichung dieses Ziels liegt darin, Kinästhetik als festen Bestandteil der Pflegeausbildung, der Weiterbildungsmaßnahmen und der täglichen Pflegepraxis zu integrieren. Das gesamte Pflegeteam soll die Möglichkeit erhalten, nach der Lehre der Kinästhetik zu arbeiten: „Nicht mehr schwer heben, sondern bewusst bewegen“, lautet die Devise – um gesund zu bleiben und Freude an der Arbeit zu haben.

„Nur mit Unterstützung funktioniert der Perspektivwechsel“, ist Carsten Wöhler, Geschäftsbereichsleiter Pflege & Leben der Diakonie Stiftung Salem überzeugt. „Durch die Schulung in Kinästhetik erlangen unsere Mitarbeitenden ein vertieftes Verständnis für Bewegungsabläufe. So lernen sie ihre eigene Bewegung bewusst wahrzunehmen. Diese veränderte Wahrnehmung hat zugleich Auswirkungen auf den Umgang mit den Pflegebedürftigen. Anstatt den Fokus auf die Defizite in der Beweglichkeit zu legen, richtet sich der Blick auf die noch möglichen Handlungen und Aktivitäten.“

Gemeinsam im Einklang bewegen

Die Pflege von Menschen mit Unterstützungsbedarf erfolgt dabei bewusst in deren eigenen harmonischen, koordinierten Bewegungsabläufen. Dabei wird die Bewegungsfähigkeit der Pflegebedürftigen unter Nutzung ihrer eigenen Ressourcen gefördert – möglichst frei von Angst, ohne übermäßige Anstrengung und ohne zusätzlichen Zeitaufwand.

„Mit einer geschulten Wahrnehmung lässt sich gut erkennen, welche Bewegung der Pflegebedürftige ausführen möchte“, erklärt Ulrike Ketteler, Kinästhetik-Trainerin Stufe 2 der Diakonie Stiftung Salem. „Durch präzise Berührungen, leichte Impulse oder verbale Anleitung wird die gewünschte Bewegung unterstützt, wobei die Priorität stets darauf liegt, die Eigenständigkeit und Autonomie des Pflegebedürftigen zu fördern und zu erhalten.“

So schafft Kinästhetik bei den Pflegekräften ein Verständnis dafür, wie Bewegung funktioniert. Die Auseinandersetzung mit eigenen Bewegungsabläufen führt zu einer Senkung der individuellen Körperspannung und damit zu einem kräfteschonenden Arbeiten, was die körperliche Belastung reduziert.

Kinästhetik als Teil der Ausbildung und des Onboardings

Um dieses Verständnis von Anfang an zu fördern, ist die Kinästhetik für Schülerinnen und Schüler der Evangelischen Pflegeakademie unabhängig von ihrem Ausbildungsträger bereits fest im Curriculum verankert. Im ersten Orientierungsblock stehen 16 Unterrichtsstunden Kinästhetik auf dem Stundenplan. Diejenigen, die sich für eine dreijährige Ausbildung entscheiden, durchlaufen im 2. und 3. Ausbildungsjahr den 4-tägigen Grundkurs, den sie mit Zertifikat abschließen.

Zudem hat die Diakonie Stiftung Salem einen strukturierten Onboardingprozess für neue Mitarbeitende eingeführt. In diesem Rahmen erhalten alle Mitarbeitenden in der Pflege eine eintägige Basisschulung als Einstieg in das Thema Kinästhetik. Diese Schulung wird sechs Mal im Jahr angeboten. Nach Abschluss der Basisschulung folgt auch hier der Grundkurs, der im Rahmen des Kinästhetik Bildungskonzepts mit zwei Theorietagen startet– eine Lernphase von ca. zwei Monaten in den Einrichtungen zum praktischen Anwenden bietet und mit 2 Theorietagen und Zertifikat abschließt.

Der Grundkurs wird ebenfalls sämtlichen Pflegekräften der Diakonie Stiftung Salem angeboten. Dabei stehen den Teilnehmenden in der Praxis Lernphase sowohl Peer-Tutoren aus den eigenen Reihen als auch Ausbilderin Ulrike Ketteler zur Seite. Diese besucht regelmäßig die Pflegeeinrichtungen, um den reibungslosen Praxistransfer nachhaltig zu gewährleisten.

Ulrike Ketteler, Kinästhetik-Trainerin, Diakonie Stiftung Salem

Carsten Wöhler, Geschäftsbereichsleiter Pflege und Leben bei der Diakonie Stiftung Salem

Kinästhetik nachhaltig in der Pflege etablieren

Mitarbeitende im Bereich Betreuung haben die Möglichkeit im Rahmen der jährlichen Pflichtfortbildung zum Thema Kraft und Balance / Sturzprophylaxe kinästhetisches Grundwissen zu erfahren.

Wichtige Ansprechpartner sind die Kinästhetik Peer-Tutoren in den Einrichtungen. Sie begleiten und bearbeiten gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Team konkrete Pflegesituationen oder führen kleine Workshops durch. Die Peer-Tutoren sind mit 1,5 Stunden im Monat für ihre Tätigkeit freigestellt. Das Netzwerk aus Peer-Tutoren und Trainerin trifft sich fünf Mal im Jahr zum Austausch, Planen von Workshops und zum Bearbeiten ganz praktischer Pflegesituationen. So schafft die Kombination aus Theorie, eigener Erfahrung und praktischer Umsetzung eine solide Grundlage für die nachhaltige Implementierung von Kinästhetik in allen Bereichen der Pflege.
Ulrike Ketteler leitet sämtliche Schulungen an – als eine der wenigen festangestellten Kinästhetik-Trainerinnen der Branche. Die Gesundheitsmanagerin hat ebenfalls eine Ausbildung zur Pflegefachkraft absolviert und sich zur Kinästhetik-Trainerin weitergebildet: Heute ist sie Trainerin der Stufe 2 und kann somit Grundkurse gestalten. Über das Weiterbildungsprogramm der Evangelische Pflegeakademie bietet sie die Basisschulungen, individuelle Workshops und Grundkurse auch externen Interessentinnen und Interessenten an.
Als Trainerin mit der Brückenausbildung „Pflegende Angehörige“ wird sich im weiteren Verlauf das Angebot erweitern zu Infoveranstaltungen für pflegende Angehörige, häusliche Einzelschulungen und Grundkurse für pflegende Angehörige.

Eine hohe positive Resonanz

Grund-, Aufbau- und Peer-Tutoren Kurs, das sind die Kinästhetik-Basiskurse für Pflegende. Wer Trainerin oder Trainer werden will, kann sich systematisch mit weiteren Ausbildungen qualifizieren. Und wie gut dieses Thema im Pflegeteam ankommt, zeigt die steigende Anzahl von Mitarbeitenden, die nach dem erfolgreichen Grundkurs-Abschluss in ihren Einrichtungen als Peer-Tutoren tätig sind.

„Im Jahr 2023 konnten wir neun neue Peer-Tutoren verzeichnen, was das Netzwerk innerhalb der Diakonie Stiftung Salem weiterwachsen lässt“, berichtet Carsten Wöhler.

Und mit den regelmäßigen Auffrischungskursen wird unser Pflegeteam das erlangte Kinästhetik-Wissen beständig vertiefen. Denn regelmäßige Praxis ist immens wichtig, um die eigene Gesunderhaltung zu stärken. Und für die Menschen mit Pflegebedarf bedeutet Kinästhetik zugleich mehr Mobilität, Selbstwirksamkeit und mehr Lebensqualität!“